Egon Erwin Kisch (geb. 1885 in Prag; gest. 1948 in Prag) gehörte zu den Gründungsmitgliedern des „Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller“, eines offiziell von 1928 bis 1933 und im Untergrund noch bis 1935 bestehenden kommunistischen deutschen Schriftstellerverbandes. Als Sohn eines jüdischen Tuchhändlers wuchs Kisch in Prag auf – die Stadt, in die er nach seinen zahlreichen Reisen und den Stationen des Exils immer wieder zurückkehrte. Nach einem einjährigem Militärdienst und einer Ausbildung zum Journalisten in Berlin, arbeitete Kisch bis 1914 als Reporter für verschiedene Zeitungen in Prag und Berlin, darunter das „Prager Tageblatt“, die „Bohemia“ und das „Berliner Tageblatt“. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete er sich als Kriegsfreiwilliger bei der österreichisch-ungarischen Armee. Er nahm am Feldzug gegen Serbien teil und wurde nach seiner Verwundung unter anderem im Kriegspressequartier in Wien eingesetzt. Wie andere Schriftsteller seiner Generation wurde auch Kisch durch die Erfahrung des Weltkrieges zu dessen entschiedenen Gegner. Im Januar 1918 nahm er in Wien an einem Streik teil, durch den Friedensverhandlungen herbeigeführt werden sollten.
Mit Beginn der Novemberrevolution wurde Kisch für einige Tage Kommandant der Wiener „Roten Garde“. 1919 trat er der Kommunistischen Partei Österreich (KPÖ) bei. Über Prag zog er 1921 wieder nach Berlin, wo er erneut für verschiedene Zeitungen schrieb. Ab 1922 unternahm Kisch seine berühmten Reportagereisen durch Europa, in die Sowjetunion, nach Afrika, Amerika und China.
1925 erschien im „Erich Reiss Verlag“ sein wohl bekanntestes Werk „Der rasende Reporter“. Trotz seiner marxistischen Weltsicht finden sich in keiner der 53 Einzelreportagen des Buches Versuche von politischer Agitation. Vielmehr präsentiert Kisch sein ganzes Können als Autor der „Neuen Sachlichkeit“. Über sein Selbstverständnis als Reporter schreibt er im Vorwort: „Der Reporter hat keine Tendenz, hat nichts zu rechtfertigen und hat keinen Standpunkt. Er hat unbefangen Zeuge zu sein und unbefangene Zeugenschaft zu liefern, […]. Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit.“ Mit scharfer Beobachtungsgabe lässt Kisch seine Leser:innen an den unterschiedlichsten Lebenswelten teilhaben.
Text: Werner Treß