Das Beispiel Berlin – mediale Propaganda

Gut gelaunte Verbindungsstudenten laufen auf dem Berliner Opernplatz am gerade entzündeten Scheiterhaufen vorbei.
Gut gelaunte Verbindungsstudenten laufen auf dem Berliner Opernplatz am gerade entzündeten Scheiterhaufen vorbei
Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz. Eine Menschenkette reicht die Bücher zum Scheiterhaufen.
Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz. Eine Menschenkette reicht die Bücher zum Scheiterhaufen.

Berlin, wo die Deutsche Studentenschaft ihren Sitz hatte und die meisten Plakate klebte, begann das Programm um 19 Uhr mit der Antrittsvorlesung des von Bernhard Rust neu berufenen Ordinarius der politischen Pädagogik Alfred Baeumler. Baeumler hatte der DSt-Führung beim Verfassen des Plakats „Wider den undeutschen Geist!“ geholfen und hielt seine Antrittsvorlesung am Tag der Bücherverbrennung. Baeumler stellte die Vorlesung in den Kontext der studentischen Bücherverbrennung, ihr Titel lautete „Wider den undeutschen Geist“. Dies passte in Baeumlers pädagogisches Konzept, welches das einer nationalistisch-dezisionistischen „deutschen Tat“ war, vorangetrieben von den Studenten. Baeumler forderte in seiner Rede, „die Ersetzung des Gebildeten durch den Typus des Soldaten“. „Das Heer“ sei „die eigentliche Schule der männlichen Erziehung“. Nicht nur bei den Berliner Nazi-Studenten fiel dies auf bereiteten Boden. In SA-Uniform marschierten sie vor Baeumlers Vorlesung in den Hörsaal 38 der Friedrich-Wilhelms-Universität, nahmen in Soldatenhaltung und mit Hakenkreuzfahne neben dem Pult Aufstellung und blieben dort während der gesamten Vorlesung stehen. Baeumler schloss seine Vorlesung, indem er die Studenten direkt adressierte:

„Sie ziehen jetzt hinaus, um Bücher zu verbrennen, in denen ein uns fremder Geist sich des deutschen Wortes bedient hat, um uns zu bekämpfen. Auf dem Scheiterhaufen, den Sie errichten, werden nicht Ketzer verbrannt. Der politische Gegner ist kein Ketzer, ihm stellen wir uns im Kampfe, er wird der Ehre des Kampfes teilhaftig. Was wir heute von uns abtun, sind Giftstoffe, die sich in der Zeit einer falschen Duldung angesammelt haben. Es ist unsere Aufgabe, den deutschen Geist in uns so mächtig werden zu lassen, daß sich solche Stoffe nicht mehr ansammeln können. Wir dürfen nicht auf Verbote bauen. Aus uns selber heraus müssen wir den undeutschen Geist überwinden. Das Weltalter, das vor uns liegt, das politische Weltalter, das Weltalter des Sozialismus, es wird nicht ein Weltalter des Cäsaro-Papismus sein. Die deutsche Universität wird niemals das geistige Durchführungsinstrument eines außer ihr selber liegenden Willens werden. Sie hat ihre eigenen Beziehung zum Ganzen. Politik und Geist sind vereinigt in den Symbolen, aber getrennt in den Organen. In der Deutung der Symbole sind wir frei.“

Nach Baeumlers Antrittsvorlesung trafen sich die Studenten hinter dem Universitätsgebäude auf dem Hegelplatz, entzündeten dort Fackeln und zogen den Kupfergraben entlang in das Studentenhaus in der Oranienburger Straße 18, wo sie die bereits auf Lastwagen geladenen Bücher abholten, zwischen 20.000 und 25.000 Bände, so die Schätzungen. „Deutsche Studenten marschieren wider den undeutschen Geist“ war auf Transparenten zu lesen, die an den Lastwagen gut sichtbar angebracht waren. Vor dem Studentenhaus hielt der NSDStB-Führer von Berlin und Brandenburg, Fritz Hippler (1909-2002), eine Rede. Er wird 1934 Dozent der Deutschen Hochschule, ab 1939 Leiter der Filmabteilung im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und in der Nachfolge Hans Weidemanns (1904-1975) Regisseur der Deutschen Wochenschau. Hippler wird später Regie für den Nazifilm Der ewige Jude (1940) führen.

Um 22 Uhr setzte sich der Fackelzug vom Studentenhaus in der Oranienburger Straße in Bewegung. Die Professoren, wie auch Baeumler, in Talaren gekleidet, gingen im Fackelzug zum Oranienburger Tor, zur Charité, die Luisenstraße hinunter und am Brandenburger Tor vorbei zum Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz. Im langen Fackelzug liefen auch die Turnstudenten der Berliner Hochschule für Leibesübungen mit, die das Institut für Sexualwissenschaft überfallen und verwüstet hatten. Eine Büste Magnus Hirschfelds hatten sie dort erbeutet und trugen sie mit zum Ort der Bücherverbrennung auf dem Opernplatz, wo sie mit ins Feuer geworden wurde. Am Opernplatz übergossen Feuerwehrmänner den aufgeschichteten Scheiterhaufen mit Benzin. Der Scheiterhaufen wurde entzündet und brannte so auch bei strömendem Regen. Ein Kamerateam der Wochenschau, große Scheinwerfer und Pressefotografen waren vor Ort.

Alle Teilnehmenden gruppierten sich auf dem Bebelplatz um den Scheiterhaufen herum. Der Führer des Kreises X (Berlin/Brandenburg) der Deutschen Studentenschaft, Herbert Gutjahr (1911-1944), ergriff das Wort. Er begann redend und endete schreiend, er übergebe nun „alles Undeutsche dem Feuer“. In Berlin, wo neben Halle die Bücherverbrennung filmisch aufgezeichnet wurde, stand vor dem Scheiterhaufen ein Mikrofon, dahinter eine Reihe von Studenten. Sie hielten die Bücher derjenigen Autoren in den Händen, die in den sogenannten „Feuersprüchen“ erwähnt wurden, die von der DSt-Leitung an die Einzelstudenten verschickt worden waren. Gegen 23.30 Uhr trat nacheinander ein Student an das Mikrofon, brüllte einen der Feuersprüche hinein und warf die Bücher mit den Worten in das Feuer: „Ich übergebe dem Feuer die Schriften von….“

Nachdem weitere Bücher von den Lastwägen in das Feuer geworfen worden waren, trat Joseph Goebbels (1897-1945) an ein Rednerpult. Goebbels, der auf Anfrage der DSt kurzfristig als Redner für die Berliner Bücherverbrennung zugesagt hatte, sah das „Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus“ zu Ende gehen. Er wandte sich in seiner Rede auch an die Studenten, die „als Vortrupp eines wirklich revolutionären deutschen Geistes von den Hochschulen heruntergetrieben“ worden seien. „Vierzehn Jahre lang“ – Goebbels meinte die Weimarer Republik – hätten die Studenten „in schweigender Schmach die Demütigungen dieser November-Republik“ über sich ergehen lassen müssen. Nicht nur in der Annahme einer solchen studentischen Passivität in der Weimarer Republik irrte Goebbels erheblich.