Das Kabinett Hitler kam für den 1. April 1933, einem Samstag, darin überein, zu einem großen Boykott jüdischer Geschäfte, Rechtsanwaltskanzleien und Arztpraxen aufzurufen. Die Kampagne wurde von Julius Streicher (1885-1946) geleitet, der einem Zentralkomitee zur Abwehr jüdischer Greuel- und Boykotthetze vorstand. Streicher, ein Volksschullehrer, gab seit 1923 die Wochenzeitschrift Der Stürmer heraus, die einen aggressiven rassistischen Antisemitismus vertrat und – mit einer kurzen Unterbrechung durch ein vorübergehendes Verbot seit 1923 – massenwirksam verbreitete. Der „Geschäftsboykott“ wurde mit Flugblättern, Plakaten und Artikeln in den großen Zeitungen vorbereitet, örtliche „Aktionskomitees“ gebildet, die alle Geschäfte registrieren und kennzeichnen sollten, deren Inhaber Juden oder Ehepartner von Juden waren. Neben jüdischen Geschäften, Arztpraxen und Rechtsanwaltskanzleien wurden auch Professoren und Dozenten an den Hochschulen aufgelistet. Die Aktionskomitees sollten dafür sorgen, dass alle Geschäfte an diesem Samstag (dem Ruhetag ›Sabbat‹ nach dem jüdischen Kalender) geöffnet und ihre als jüdisch ausgemachten Angestellten anwesend waren. Die „jüdischen Geschäftsmänner“ seien „Schädlinge und Totengräber des deutschen Handwerks“, so war auf Schildern zu lesen, die durch die Straßen getragen wurden. Es wurde behauptet: „Jüdische Geschäftsmänner bezahlen Hungerlöhne“. Der Verkauf „jüdischer Waren“ wurde für diesen Tag verboten und dieses Verbot von Hitlerjugend, SA-Truppen mit reger studentischer Beteiligung und Stahlhelm durchgesetzt, die sich vor den Geschäften postierten und auf Lastwagen mit Lautsprechern durch die Straßen fuhren, um zu verkünden: „Deutsche, kauft nicht bei Juden“.
Den Schein einer rechtmäßigen Ordnung aufrechtzuerhalten, gehörte zur Strategie der Aktion vom 1. April, und es kam der Regierung zugute, dass sie mit dem Boykott, oberflächlich betrachtet, deeskalierend auf die antisemitische Gewalt wirken konnte. Die örtlichen Aktionskomitees wurden dazu aufgerufen, dass „sich dieser gesamte Kampf in vollster Ruhe und größter Disziplin vollzieht.“ Trotz der vorherigen Gewalttaten wurde zynisch gefordert: „Krümmt auch weiterhin keinem Juden auch nur ein Haar!“ – zur Anwendung körperlicher Gewalt kam es freilich dennoch.
Die neu gegründete Reichsjugendführung veröffentlichte im Völkischen Beobachter am 29. März den Aufruf „Junges Deutschland wehre Dich!“ und forderte darin die Studenten auf, für die „Säuberung der deutschen Hochschulen“ zu sorgen und Protestkundgebungen zu organisieren. Oskar Stäbel, Bundesführer des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds, verkündete in derselben Ausgabe, er selbst habe zusammen mit dem Vorsitzenden der Deutschen Studentenschaft (DSt) „bei den zuständigen Behörden des Reiches und der Länder die Einführung des Numerus clausus für Juden und die restlose Entfernung sämtlicher jüdischer Dozenten und Assistenzen von den deutschen Hochschulen […] gefordert“. Die Deutsche Studentenschaft folgte der Aufforderung der Reichsjugendführung und übertrug den „Judenboykott“ auf die Hochschulen. So postierten sich an jenem Samstag Studenten in SA-Uniform vor den Universitäten und trugen Schilder mit der Aufschrift „Juden raus! Wir brauchen keine Juden!“ umher. Sie ließen Passanten nur nach Überprüfung ihrer Ausweise weitergehen und verweigerten Studierenden den Zutritt, wenn sie der Auffassung waren, es handele sich um Juden oder Jüdinnen.
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