Im selben Brief vom 19. April 1933, in dem die Deutsche Studentenschaft zur Denunziation von Professoren und Dozenten aufrief, die „Juden“ oder „Kommunisten“ waren, die „nationale Erhebung“ oder das „Frontsoldatentum“ beschimpft hatten, erging eine weitere Aufforderung des DSt-Amtsleiters für Hochschulreform Georg Plötner an die Einzelstudentenschaften. Zur Unterstützung des Professorenboykotts sollte die „Aktion wider den undeutschen Geist“ um die Errichtung von „Schandpfählen“ erweitert werden. Ab dem 3. Mai, so sah es Plötner vor, seien solche „Schandpfähle“ an allen deutschen Hochschulen aufzustellen, an die die Namen angefeindeter Schriftsteller und Professoren mit Nägeln angeschlagen werden sollten.
„Wir schaffen ein Schandmal!
Wir haben unseren Gruß. Wir haben unser Kleid. Wir tragen unser Zeichen. Weil wir uns bekennen. Weil wir ehrlich sein wollen. Wir wollen in allem ehrlich sein. Wie wir uns zu dem bekennen, der der Revolution teilhaftig ist, wie wir den grüßen, der in unserem Kampf mit uns ist, deshalb werden wir uns mit gleicher Offenheit von dem absetzen, der wider uns ist oder der es nicht begreift. Weil wir ehrlich sein wollen. Weil wir die deutsche Hochschule wollen. Wir werden an allen Hochschulen einen Schandpfahl errichten. Einen klobigen Baumstamm, etwas über mannshoch, auf Hochschulgebiet. An den Schandpfahl werden wir die Erzeugnisse derer nageln, die nicht unseres Geistes sind.
Für die ›Weltbühne‹ dürften zweizöllige Nägel geeignet sein. Für Herrn Stefan Zweig könnten Reißzwecke genügen.
Ebenso für Herrn Ludwig und ähnliche Cohns. – Für Herrn Tucholsky wären Vierzöller zu empfehlen.
Und wir werden diesen Schandpfahl für alle Zeiten stehen lassen. Solange wir ihn brauchen. Heute für die Schriftsteller, morgen für die Professoren. Im Ganzen immer bereit für die, die es nicht begreifen wollen oder nie begreifen können.
Der Schandpfahl soll etwa am 3. Mai in den Hochschulen zur Aufstellung gelangen.“
Als der Plan zu dieser Aktion in der Öffentlichkeit bekannt wurde, äußerten nicht wenige Zeitungen verhaltene Kritik. In dem Artikel „Geist der Hochschule“ bemängelte etwa die liberale Vossische Zeitung vom 28. April, die „Reform der Hochschule“ werde „auch von unten“, von den Studierenden selbst übernommen, obwohl es sich doch um eine Aufgabe des Staats handele. Der Artikel war keinesfalls ein Angriff auf die ideologische Basis der Nationalsozialisten. Er appellierte an das Kultusministerium das „Führerprinzip“ auch an den Universitäten wieder herzustellen. Dieses reagierte und pfiff die vorpreschenden Studenten mit ihrem Vorhaben zurück. Während das Ministerium öffentlich anmahnte, die Umgestaltung der Hochschulen sei Aufgabe der Staatsregierung, hatte es in einem Erlass vom 20. April 1933 verfügt, alle Disziplinarstrafen gegen Schüler und Studenten rückwirkend bis zum 25. Februar 1925 aufzuheben, die im Zusammenhang mit der „nationalen Erhebung“ standen.
Aufgrund der Intervention des preußischen Kultusministeriums brach die Deutsche Studentenschaft das Aufstellen der „Schandpfähle“ ab und verschickte am 4. Mai Postkarten an die Einzelstudentenschaften, die Errichtung der „Schandpfähle“ sei „einstweilen zurückzustellen“. An fünf Hochschulorten: in Dresden, Erlangen, Königsberg, Münster und Rostock wurden dennoch „Schandpfähle“ aufgestellt.
In Münster war die Postkarte der Deutschen Studentenschaft erst eingetroffen als die Nazi-Studenten bereits die Presse darüber informiert hatte, den Schandpfahl im Rahmen einer Kundgebung auf dem Domplatz am Morgen des 6. Mais zu errichten. Die Kundgebung begann mit einer Rede des Leiters des Kampfausschusses „Wider den undeutschen Geist“. Über sie berichtete die Münstersche Zeitung am 7. Mai 1933:
„Nach dem Liede ›Burschen heraus‹ legte der Leiter des münsterschen Kampfausschusses ›Wider den undeutschen Geist‹, cand. phil. Roloff, die besondere Aufgabe dar, die der Studentenschaft bei dem Ausbau des Dritten Reiches zufalle. In dem Kampf für volksbewußtes Denken und Fühlen richte sich die gegenwärtige Maßnahme der münsterschen Studentenschaft gegen den undeutschen Geist in der Literatur. Jüdisches und liberalistisches Schrifttum müsse aus dem Geistesleben der deutschen Nation ausgeschaltet werden. Die Aufgabe der deutschen Studenten sei es, Werken der Dichter, die schon jahrelang für die nationale Erhebung gekämpft hätten, einen der Bedeutung gemäßen Platz im deutschen Volksleben zu schaffen. Schäfer, Stapel, Müller van der Bruck, Kolbenheyer und Grimm seien solche deutsche Schriftsteller und Dichter. Nachdem noch die weiteren Aktionen der münsterschen Studentenschaft ›Wider den undeutschen Geist‹ bekanntgegeben worden sind, endete die Kundgebung, zu der sich eine sehr große Anzahl von Studenten und von münsterschen Bürgern neben dem regen Marktbetriebe eingefunden hatte, mit einem ›Sieg Heil‹ auf Adolf Hitler und mit dem Gesang des Horst-Wessel-Liedes“ (Münstersche Zeitung, 7. Mai 1933).
Der Schandpfahl, so schrieb die Zeitung weiter, werde fortan Tag und Nacht von Mitgliedern des Münsteraner NSDStB und Korporationsstudenten bewacht. Auf der Bücherverbrennung am darauffolgenden Mittwoch wurde er zusammen mit den gesammelten Büchern verbrannt.
In Rostock wurde der Schandpfahl ebenso vor der Universität während einer Kundgebung am 5. Mai errichtet , die der Bücherverbrennung am 10. Mai vorausging. Sie begann mit einem Fackelzug zum Blücherplatz vor der Universität, angeführt von SA-Männern, dem, nach einem Bericht im Rostocker Anzeiger, die „gesamte“ Rostocker Studentenschaft und die Bebtriebszellenorganisation der NSDAP folgte. Nach Reden von Prof. Reiter und dem Privatdozenten Franz Bachér, dem gemeinsam gesungenem Lied „Burschen heraus“ sprach der Führer der norddeutschen Studenten Dipl. Ing. Schulze: „Fürs erste […] haben wir hier vor der Universität einen Schandpfahl errichtet, an dem wir die Bücher derjenigen anschlagen werden, die der Fluch des deutschen Volkes treffe“. An dem mehr als 2 Meter hohen Eichenstamm nagelte der Hochschulgruppenführer des NSDStB, Werner Rühberg, sieben Bücher und eine Zeitschrift an. Je ein Buch von Kurt Tucholsky, Magnus Hirschfeld, Erich Maria Remarque, Emil Ludwig, Lion Feuchtwanger, Stefan Zweig und Vicky Baum. Bei der Zeitschrift handelt es sich um ein Exemplar der Weltbühne.
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