Der von der Regierung organisierte „Judenboykott“ sollte, nach einer Erklärung Joseph Goebbels’ (1897-1945), zunächst auf den 1. April beschränkt bleiben und dann vorläufig bis zum 5. April ausgesetzt werden. Sollte der Boykott die internationale Presse nicht „zur Vernunft“ bringen, wie sich Goebbels ausdrückte, würde er ab dem 5. April um 10.00 Uhr wieder aufgenommen werden. Die DSt-Führung schien den Verlauf des Boykotts in ihrer Planung zu berücksichtigen und wartete zunächst bis zum 5. April ab. Als sich abzeichnete, dass der Boykott nicht wieder aufgenommen werden würde, informierte sie am 6. April die Einzelstudentenschaften und ca. 60 Schriftsteller, von denen die DSt der Meinung war, sie würden die Aktion begrüßen. Sie bat sie darum, die Aktion mit einem Aufsatz für den Artikeldienst zu unterstützen, und fügte dem Brief einen Entwurf des Plakats mit 12 Thesen „Wider den undeutschen Geist“ bei.
Darin skizzierte sie kurz den geplanten Verlauf der studentischen Aktion: „Die Aktion wird – in ständiger Steigerung bis zum 10. Mai – mit allen Mitteln der Propaganda durchgeführt, wie: Rundfunk, Presse, Säulenanschlag, Flugblätter und Sonderartikeldienst der Dst-Akademischen Korrespondenz“. Nur wenige der Schriftsteller antworteten, was weniger an fehlendem Einverständnis als vielmehr an der knappen Zeitplanung lag. Die Autoren dürften das Schreiben am 7. oder 8. April erhalten haben, wurden allerdings darum gebeten, bis „spätestens 10. April“ einen Aufsatz zur Verfügung zu stellen, der in der Dst-Akademischen Korrespondenz veröffentlicht und der „deutschen Presse bekannt gegeben werden“ sollte.
Das erste Schreiben an die Einzelstudentenschaften, die die Kampagne vor Ort schließlich leiten und durchführen sollten, fiel dagegen knapper aus. Die DSt-Führung gab die erfolgte Neubildung des Hauptamtes für Presse und Propaganda bekannt und ließ die Einzelstudentenschaften an den Hochschulorten lediglich wissen:
„Die erste Maßnahme des Propagandaamtes, die die gesamte Studentenschaft und die gesamte deutsche Öffentlichkeit erfassen soll, findet als vierwöchige Gesamtaktion, beginnend am 12. April, endigend am 10. Mai 1933, statt. Näheres über den Inhalt wird noch bekannt gegeben.“
Ein saloppes Schreiben, dessen Knappheit, Wortwahl und Nichterwähnen des eigentlichen Inhalts der Aktion auch zeigt, wie wenig sich Leistritz und Krüger im Frühjahr 1933 bereits um die loyale Teilnahme der regionalen Studentenschaften in den einzelnen Universitätsstädten sorgen mussten. Zu durchdringend war der Faschismus an den Hochschulen und unter den Studenten seit Jahren etabliert. Seit dem Königsberger Studententag im Juli 1932 war die DSt nach entsprechenden Anträgen des NSDStB und Mehrheitsbeschlüssen so organisiert, dass der DSt-Vorsitz mit allen Vollmachten ausgestattet, von keiner Vertreterversammlung kontrolliert wurde und die einzelnen Kreisleiter der in 10 Kreise eingeteilten Deutschen Studentenschaft selbst ernennen konnte. Befehlsmäßige Anweisungen von Krüger und Leistritz reichten im April 1933 daher in Übereinstimmung mit der Satzung der DSt aus. Dennoch war auch im April und Mai 1933 ein anderes Verhalten möglich. An den Hochschulen in Leipzig, Tübingen und Stuttgart fanden keine Bücherverbrennungen statt.
Zwei Tage später, am 8. April 1933, also lediglich eine Woche vor Beginn der Kampagne, informierte Leistritz in einem zweiten Rundschreiben an die Einzelstudentenschaften nun zum ersten Mal umfassender über Inhalt, Zweck und Durchführung der Aktion. Dem Schreiben waren auch die 12 „Thesen“ unter dem Titel „Wider den undeutschen Geist!“ beigefügt. Beides, Rundschreiben und die 12 „Thesen“, veröffentlichte die DSt auch in der „Deutschen Kultur-Wacht“ (Heft 9, 1933). Im Schreiben heißt es nun ausführlicher:
„Die Deutsche Studentenschaft (Hauptamt für Presse und Propaganda) veranstaltet am 12. April bis 10. Mai 1933 einen Aufklärungsfeldzug ›Wider den undeutschen Geist‹. Der jüdische Geist, wie er sich in der Welthetze in seiner ganzen Hemmungslosigkeit offenbart und wie er bereits im deutschen Schrifttum seinen Niederschlag gefunden hat, muß ebenso wie der gesamte Liberalismus ausgemerzt werden. Die deutschen Studenten wollen aber nicht allein leeren Protest erheben, sie wollen bewußte Besinnung auf die volkseigenen Werte. Das kommt in den zwölf Sätzen der Deutschen Studentenschaft, die ab 13. April zum öffentlichen Anschlag gelangen, klar zum Ausdruck… [es folgen die 12 Thesen, die Red.]. Zu Beginn der dritten Woche der vierwöchigen Gesamtaktion wird eine öffentliche Sammlung zersetzenden Schrifttums, gegen das sich der Kampf der Studentenschaft zunächst richtet, einsetzen. Jeder Student wird seine eigene Bücherei von allem Undeutschen, das durch Gedankenlosigkeit hineingelangt ist, säubern; jeder Student wird die Büchereien seiner Bekannten sichten, die Studentenschaften werden sich für die Reinigung öffentlicher Büchereien, die nicht lediglich der Sammlung jeglichen Schrifttums dienen, einsetzen. An allen Hochschulen wird am 10. Mai 1933 das zersetzende Schrifttum den Flammen überantwortet. Die öffentliche Bekanntgabe von Sammelstellen, die sich an allen größeren Orten befinden, wird zu Beginn der Sammlung erfolgen“.
In diesem Rundschreiben äußerte sich das Hauptamt für Presse und Propaganda der DSt gegenüber den Studenten erstmals zu Inhalt und Zweck der Aktion. Leistritz knüpfte dabei an den ›völkischen‹ Literaturbegriff sowie an den diffusen „Schund- und Schmutz“-Diskurs an, der in den sich als „völkisch“ verstehenden, nationalkonservativen und deutschnationalen Kreisen seit den 1890er Jahren verbreitet war, die gegen „Schund und Schmutz jüdischen Zersetzungsgeistes“ und für ein „volksbewußtes Denken und Fühlen“ eintraten. Zugleich suchte die DSt-Führung auch die Korporationen und Burschenschaften für ihr Vorhaben zu gewinnen, mit denen sie Anfang der 1930er Jahre über die Frage gestritten hatte, inwieweit die Korporationshäuser selbständig bleiben oder in NSDAP-Kameradschaftshäuser umgewandelt werden sollten. Explizit verwies sie auf das Wartburgfest aus dem Jahr 1817 als einen historischen Vorläufer der geplanten Bücherverbrennung.
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